Stillen und Ernährung – so verändert sich die Muttermilch
Muttermilch bringt alle Komponenten für eine perfekte Ernährung des Babys zusammen. Neueste Ergebnisse zeigen, dass Muttermilch weit mehr als nur Ernährung ist: Ein Überblick über die Zusammensetzung des Wunders Muttermilch und wie Veganismus & Co. das Stillen beeinflusst.
In diesem Beitrag lesen Sie:
- Eine kleine Muttermilchkunde
- Drei Stadien der Muttermilch
- Vegane & vegetarische Mütter*
- FAQs zu Stillen und Ernährung
Eine kleine Muttermilchkunde
Seit den 1960er Jahren hat sich die Forschung rund um die Muttermilch stark entwickelt. Aus hunderten Komponenten besteht die wertvolle Nahrung und bis heute sind noch nicht alle Bestandteile klar definiert.1 Lactoferrin – ein Glykoprotein – wird derzeit auf seinen Einsatz als Arzneimittel untersucht. Es bindet nicht nur Eisen, sondern ist auch an der Differenzierung von Zellen beteiligt, es wirkt antibakteriell und antiviral.2 Muttermilch ist also nicht nur ein Nahrungsmittel, sondern enthält bioaktive Substanzen, die medizinische Qualitäten haben und das Überleben von Neugeborenen sichern.
Ein Einblick in die komplexe Zusammensetzung der Muttermilch:
Makronährstoffe
Zu den Makronährstoffen zählen Fette, Proteine und Kohlenhydrate. Fette sind die größten Energielieferanten in der Muttermilch, denn sie stellen 40-55% der gesamten Energiemenge bereit. Triglyceride bilden 98% dieser Fette – der Rest setzt sich aus Fettsäuren, Diacylglyceriden und anderen zusammen.3
Omega-3 und Omega-6-Fettsäuren: Sind mehrfach ungesättigte Fettsäuren und wichtige für die Bildung von Zellmembranen. Sie sind ebenso in der Muttermilch enthalten, ihr Anteil ist jedoch je nach mütterlicher* Ernährung unterschiedlich. In der westlichen Welt besteht eine Tendenz der Omega-3-Fettsäuren Unterversorgung, während Omega-6 ausreichend aufgenommen wird.1,4
Über 400 Proteine sind in der Muttermilch enthalten – die beiden wichtigsten sind Caseine und Molkenproteine. Proteine übernehmen zahlreiche Aufgaben im Körper des Babys: die Bildung von Wachstumshormonen, Bereitstellung von Aminosäuren für die Proteinsynthese, Absorbierung und Transport von Nährstoffen und ein positiver Einfluss auf das Immunsystem.3
Das einzige Kohlenhydrat in der Muttermilch, das Energie für das Baby liefert, ist Laktose. Sie ist ein Disaccharid und besteht aus Glucose und Galaktose. Verglichen mit anderen Lebewesen, haben Menschen den höchsten Anteil an Laktose in der Muttermilch, was an dem hohen Energieverbrauch des menschlichen Gehirns liegt.3
Mikronährstoffe
Zu den Mikronährstoffen der Muttermilch zählen Spurenelemente, Mineralien und Vitamine. Muttermilch enthält alle wichtigen Vitamine, die für das Baby notwendig sind – ausgenommen Vitamin K und Vitamin D. Vitamin K wird nach Standard substituiert, um Blutungen vorzubeugen, denn es ist notwendig, um Gerinnungsfaktoren zu bilden. Vitamin D wird als Rachitis-Prophylaxe nach Schema substituiert.
Neben Chrom, Zink, Calcium und Selen, zählt Eisen zu den bedeutenden Spurenelementen in der Muttermilch. Eisen wird benötigt, damit das Baby genügend Hämoglobin bilden kann, um Sauerstoff mit den roten Blutkörperchen zu transportieren. Muttermilch enthält jedoch wenig Eisen: ab dem 6. Lebensmonat kann Muttermilch den Eisenbedarf des Kindes nicht mehr decken und Beikost wird eingeführt.
Humane Oligosacharide
Humane Oligosaccharide (HMOs) sind eine weitere wichtige Gruppe an Kohlenhydraten. Sie bestehen aus 3 bis 32 Zuckern und dienen als Präbiotikum, da sie unverdaulich sind. Die Bildung von Bifidobakterien wird durch sie gefördert, wodurch wiederum die Darmflora und das Immunsystem gestärkt wird. Reife Muttermilch enthält 12,9 g/L an Oligosacchariden, frühe Muttermilch -vier Tage postpartum- enthält deutlich mehr, nämlich 20,9 g/L.3 Es gibt viele verschiedene HMOs und jede Mutter* bildet ein eigenes Spektrum daraus.
Probiotika
Lange Zeit galt die Überzeugung, dass Muttermilch steril ist – dies ist jedoch ganz und gar nicht der Fall. Probiotika sind lebende Mikroorganismen, die in der Muttermilch enthalten sind. Sie spielen eine Rolle im Aufbau der Darmflora des Babys; weitere Mechanismen werden noch erforscht. Enthaltene Bakterien sind die bekannten Bifidobakterien und Laktobazillen.5 So wie in der Darmflora von Erwachsenen, ist auch die Kolonialisierung der Muttermilch sehr individuell.
Die drei Stadien der Muttermilch
Grundsätzlich wird Muttermilch in drei Stadien eingeteilt:3 Kolostrum, Übergangsmilch und reife Muttermilch. Kolostrum, hergestellt in nur kleinen Mengen in den ersten Tagen postpartal, ist reich an immunologischen Komponenten, so z.B. dem Immunglobulin IgA, Lactoferrin oder Leukozyten. Sie schützen das Baby vor Krankheiten, bis das eigene Immunsystem ausgereift ist. Kolostrum enthält wenig Laktose – es scheint also, dass zu Beginn der immunologische Anteil wichtiger ist, als der nährende.1 Übergangsmilch – etwa fünf Tage bis zwei Wochen postpartum – ist Kolostrum ähnlich, jedoch reicher an Laktose und Nährstoffen. Vollkommen ausgereift ist Muttermilch nach etwa vier bis sechs Wochen. Von hier an verändert sich die Zusammensetzung der Muttermilch nur noch sehr wenig.1
Vegan & Vegetarisch
Der Trend zu einer fleischarmen Ernährung birgt viele Vorteile: eine positive Auswirkung auf Diabete mellitus Typ II und Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören zu den überzeugenden Argumenten.6 Doch wie viele Menschen in Deutschland leben überhaupt fleischlos und welchen Einfluss hat dies auf die Muttermilch?
Vegetarische Ernährungsweise
Vegetarische Ernährung unterscheidet sich von veganer dadurch, dass Vegetarier:innen tierische Produkte wie Käse, Ei und Milch in ihre Ernährung miteinbeziehen – Veganer:innen nicht. Auf Fleisch und Geflügel verzichten beide Gruppen. Natürlich gibt es weitere Unterkategorien, wie z.B. Ovo-lakto-Vegetarier:innen, Pesco-Vegetarier:innen oder Flexitarier:innen.
Eine Untersuchung (DEGS1) des Robert Koch Instituts stellte fest, dass sich 4,3% der deutschen Bevölkerung zwischen 18 und 79 Jahren vegetarisch ernähren. Der Anteil an Frauen ist dabei wesentlich höher und liegt bei 6,1% vs. 2,5% unter den Männern.7
Die vegetarische Ernährungsweise wurde lange Zeit aus ernährungswissenschaftlicher Sicht sehr kritisch angesehen, jedoch scheint die unterschiedliche Versorgung mit Nährstoffen geringer zu sein, als erwartet.7 Zusätzlich geht ein hoher Konsum von tierischen Produkten mit einer höheren Mortalitätsrate einher. 6 Nichtsdestotrotz sollten Nährstoffe wie Zink, Selen, Eisen, Omega-3-Fettsäuren, Jod, Vitamin D und Vitamin B12 immer im Auge behalten werden.
Vegane Ernährungsweise
Die genaue Anzahl an vegan lebenden Menschen ist unklar, es handelt sich jedoch in etwa um 0,1 bis 1%, der in Deutschland lebenden Menschen.8
Welchen Einfluss hat jedoch die vegetarische oder vegane Ernährung der stillenden Mutter* auf das Neugeborene? Für beide Ernährungsformen gilt: Vitamin B12 darf weder bei Vegetarier:innen noch bei Veganer:innen vernachlässigt werden. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt keine vegane Ernährung in der Schwangerschaft, Stillzeit, sowie im Kindes- und Jugendalter aufgrund der Gefahr der Nährstoffunterversorgung. Diese betrifft neben Vitamin B12 und Eisen für die Bildung von Blutzellen, auch die notwendigen Proteine für das Wachstum. Neben diesem Risiko bringt vegane Ernährung auch Vorteile, denn vegan ernährte Kinder nehmen mehr Ballaststoffe und weniger zugesetzten Zucker zu sich.8
Eine ergänzende systematische Literaturrecherche im Zuge der Position des DGE kam zu dem Schluss, dass bisher kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen dem Vitamin B12 Gehalt der Muttermilch von vegetarischen, veganen und omnivor lebenden Müttern* besteht. Kinder von vegan lebenden Schwangeren sind bei der Geburt zwar kleiner und leichter, befinden sich jedoch immer noch innerhalb der Normwerte, als bei omnivor lebenden Schwangeren.9 Nichtsdestotrotz bleibt die DGE bei ihrer Empfehlung, da es noch genauere Untersuchungen dazu bedarf.
Wie man sieht, spielt Vitamin B12 eine zentrale Rolle in der veganen oder vegetarischen Ernährung. Um einen Mangel beim Neugeborenen und Erwachsenen zu vermeiden, können Vitamin B12 reiche Lebensmittel in die Ernährung aufgenommen werden oder mit Nahrungsergänzungsmitteln supplementiert werden.10 Aus diesem Grund dürfen vegan lebende Mütter* ihre Muttermilch nur unter der Voraussetzung an Milchbanken spenden, wenn Vitamin B12 substituiert wird.11
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Die wichtigsten Antworten zur Ernährung während dem Stillen
F: Welche Empfehlung gibt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung zur veganen Ernährung in Schwangeren?
A: Die DGE empfiehlt aufgrund der Gefahr der Nährstoffunterversorgung keine vegane Ernährungsweise von für Schwangere, Stillende, Kinder und Jugendliche.
F: Welcher Nährstoffmangel kann bei fleischloser Ernährung auftreten?
A: Ein Vitamin B12 Mangel kann sowohl bei Vegetarier:innen als auch bei Veganer:innen auftreten. Weitere gefährdete Nährstoffe sind Eisen, Selen, Zink, Omega-3-Fettsäuren, Proteine, Jod und Vitamin D.
Autorin: Dr. med. Lisa Raberger
Quellen
- Ballard, O. & Morrow, A. L. Human milk composition: nutrients and bioactive factors. Pediatr. Clin. North Am. 60, 49–74 (2013).
- Karav, S., German, J. B., Rouquié, C., Le Parc, A. & Barile, D. Studying Lactoferrin N-Glycosylation. Int. J. Mol. Sci. 18, 870 (2017).
- Andreas, N. J., Kampmann, B. & Mehring Le-Doare, K. Human breast milk: A review on its composition and bioactivity. Early Hum. Dev. 91, 629–635 (2015).
- Valentine, C. J. et al. Randomized Controlled Trial of Docosahexaenoic Acid Supplementation in Midwestern U.S. Human Milk Donors. Breastfeed. Med. 8, 86–91 (2013).
- Martín, R. et al. Isolation of Bifidobacteria from Breast Milk and Assessment of the Bifidobacterial Population by PCR-Denaturing Gradient Gel Electrophoresis and Quantitative Real-Time PCR. Appl. Environ. Microbiol. 75, 965–969 (2009).
- Orlich, M. J. et al. Vegetarian dietary patterns and mortality in Adventist Health Study 2. JAMA Intern. Med. 173, 1230–1238 (2013).
- Robert Koch-Institut. Verbreitung der vegetarischen Ernährungsweise in Deutschland. (2016) doi:10.17886/RKI-GBE-2016-033.
- Ausgewählte Fragen und Antworten zu veganer Ernährung. https://www.dge.de/wissenschaft/faqs/vegane-ernaehrung/.
- Vegane Ernährung. https://www.dge.de/wissenschaft/weitere-publikationen/dge-position/vegane-ernaehrung/?L=0.
- Institute of Medicine (US) Committee on Nutritional Status During Pregnancy and Lactation. Nutrition During Lactation. (National Academies Press (US), 1991).
- Weaver, G. et al. Recommendations for the Establishment and Operation of Human Milk Banks in Europe: A Consensus Statement From the European Milk Bank Association (EMBA). Front. Pediatr. 7, (2019).
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