Januar 4

So gefährlich kann die Lotusgeburt sein | Midwife MeetUp

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Die Lotusgeburt – diese Gefahren stecken dahinter

Eine Geburt ohne Abnabelung – Die Lotusgeburt ehrt die Plazenta, denn sie wird aufbewahrt, bis sie selbstständig vom Neugeborenen abfällt. Der holistische Ansatz verspricht mehr Nährstoffe und Wohlbefinden für die jüngsten Erdenbewohner. Alles über die Hintergründe und Gefahren der Lotusgeburt erfahren Sie hier. 

 

In diesem Beitrag lesen Sie:

  • Was ist die Lotusgeburt?
  • Anleitung & Durchführung
  • Vorteile einer Lotusgeburt
  • Nachteile & Gefahren
  • Gebärende richtig beraten
  • Häufig gestellte Fragen

Was ist die Lotusgeburt?

Eine Lotusgeburt folgt den gleichen Regeln, wie auch eine jede andere Geburt – mit einer Ausnahme: die fehlende Abnabelung. Denn bei der Lotusgeburt wird die Nabelschnur nicht wie sonst üblich nach ein paar Minuten von der Plazenta getrennt. Die Nachgeburt wird abgewartet und der Mutterkuchen behalten, bis die Nabelschnur sich selbstständig vom Neugeborenen löst.

Bis dahin wird die Plazenta in einer speziell angefertigten Tasche verwahrt und immer zusammen mit dem Neugeborenen transportiert. Die Lotusgeburt ist also kein neuer empirischer Ansatz der Geburtshilfe, sondern findet in holistischen Kreisen seine Anwendung. Die Plazenta trägt seit Jahrhunderten eine bedeutende spirituelle Rolle und stellt die sichtbare Verbindung zwischen Mutter und Kind dar. Umso kritischer wird die Lotusgeburt in der westlichen Medizin diskutiert. Was tatsächlich hinter den Vor- und Nachteilen der Lotusgeburt steckt, erfahren Sie in den folgenden Kapiteln.

Der Ursprung der Lotusgeburt

Der Name Lotusgeburt mag womöglich an die wohlriechende Blume erinnern, der Ursprung ist jedoch ein ganz anderer. Der Begriff Lotusgeburt bezieht sich auf die Beobachtung der Amerikanerin Claire Lotus Bay. Sie war es, die in den 80er Jahren eine Schimpansen Mutter beobachtete, die ihr Neugeborenes nicht abnabelte. Daraufhin beschloss Bay, auch ihr eigenes Kind nicht abnabeln zu lassen und hinterfragte die gängigen Entbindungsstrukturen der modernen Medizin. Man beachte: Bei nahezu allen Säugetieren durchtrennt die Mutter selbstständig die Nabelschnur.

Die Verbreitung der Lotusgeburt ist je nach geografischer Lage unterschiedlich: während sie im deutschsprachigen Raum eine Seltenheit ist, findet man die Lotusgeburt in Australien, der Türkei und in Indonesien sehr häufig.1

Anleitung & Durchführung

Die Lotusgeburt folgt einer speziellen Vorgehensweise, die eine aktive Auseinandersetzung mit der Plazenta voraussetzt.  Nach der vaginalen Geburt wird das gesunde Neugeborene an die Brust der Mutter gelegt und die Nabelschnur wird nicht durchtrennt.

Sobald die Nachgeburt erfolgt ist, wird der Mutterkuchen inspiziert und gegebenenfalls gewaschen. Bis die Plazenta vollkommen abgetropft ist, wird sie meist in einem Behältnis aus Plastik verwahrt. Sterile Gaze sorgt dafür, dass die Flüssigkeit absorbiert wird.

Von Kräutern & Salzen

Erst danach folgt der eigentliche Prozess: Es wird eine Mischung aus 1 kg Salz und je 0,5 kg Lavendel und Rosmarin angefertigt. Die Hälfte der Mischung wird am ersten Tag auf die Plazenta gestreut, die zweite Hälfte am folgenden Tag. Dies soll die Infektionsgefahr und Gerüche in Schach halten. Bei Bedarf kann mehr Salz verwendet werden, sollte der Mutterkuchen zu feucht sein.

Anschließend wird die Plazenta in eine Tasche gepackt, die keinesfalls luftdicht sein darf. Besonders wichtig: Nabelschnur und Plazenta müssen täglich auf Infektionszeichen untersucht werden. Nach etwa 5 bis 10 Tagen fällt die Nabelschnur und somit auch die Plazenta vom Neugeborenem ab. Manche Eltern bewahren die Plazenta auf, andere vergraben sie und pflanzen symbolisch einen Baum an derselben Stelle.

Vorteile einer Lotusgeburt

Für viele Gebärende entspricht die Lotusgeburt dem Symbol der Selbstbestimmtheit. Ziel ist es, eine vollkommen natürliche Geburt zu erleben, ohne Eingreifen von außen. Manche Mütter empfinden den Abnabelungsprozess als eine harte Trennung von ihrem Kind, das sie neun Monate in sich getragen haben. Durch den Erhalt der Plazenta, soll nicht nur Mutter und Kind die Trennung leichter fallen, sondern auch der Mutterkuchen als lebenserhaltendes Organ wertgeschätzt werden. Über die Jahrhunderte haben sich zahlreiche Rituale zur Wertschätzung der Plazenta entwickelt, die den Menschen Halt und Zuversicht geben. So kommt es, dass die Plazenta zur Verabschiedung vergraben, zu Globuli verarbeitet oder verspeist wird.1

Eltern, die sich für eine Lotusgeburt entscheiden, erhoffen sich einen starken Nährstoffaustausch zwischen Mutterkuchen und Kind. Das Neugeborene soll ausgeglichener sein und das Immunsystem gestärkt werden. Dass der Nährstoffaustausch jedoch über Tage nach der Geburt anhält, ist eine Fehleinschätzung. Denn: nur in den ersten drei Minuten nach der Geburt erfolgt der meiste Nährstoffaustausch zwischen Plazenta und Neugeborenem.2 Mit dem Erlöschen des Nabelschnurpulses lässt sich erkennen, dass die Nabelschnurgefäße allmählich kollabieren.

Evidenzbasierte Vorteile einer Lotusgeburt gibt es bis heute nicht.

Lotusgeburt
Nachteile & Gefahren

Die wohl größte Gefahr der Lotusgeburt ist die Infektionsgefahr, die von der Plazenta ausgeht. Das zerfallende Gewebe entwickelt nicht nur Gerüche, sondern ist auch ein Magnet für Krankheitserreger.

Sollte ein Neugeborenes eine spezielle Therapie bedürfen, steht die begehrte Nebelschnurvene bei einer Lotusgeburt nicht mehr zur Verfügung. Auch eine Abnahme von Nabelschnurblut gestaltet sich schwierig bis unmöglich und kann Nachteile für das Neugeborene mit sich bringen.

Frisch gebackene Eltern müssen sich vor allem beim ersten Kind erst an die Routinen des Stillens und Wickelns gewöhnen. Die Nabelschnur gestaltet tägliche Aufgaben nicht nur umständlicher, sondern birgt auch Gefahren: Ein Zug an der Nabelschnur kann das Baby schnell verletzen.

Gebärende beraten

Doch was tun, wenn eine werdende Mutter an Hebammen mit dem Wunsch einer Lotusgeburt herantritt?

Es gibt bis heute keine Leitlinien, die den Umgang mit Lotusgeburten beschreiben. Fest steht jedoch, dass werdende Eltern mit dem Wunsch einer Lotusgeburt die beste und fachkundigste Beratung durch Ärzt:innen und Hebammen erfahren sollten. In manchen Ländern gibt es dafür spezielle Kliniken, wie z.B. das Lotus Birth Center im Royal London Hospital.

Im deutschsprachigen Raum ist die Durchführung einer Lotusgeburt im Krankenhaus-Alltag nicht etabliert. Der Deutsche Hebammenverband e.V. führt an, dass sich Hebammen an „evidenzbasiertes Wissen und die Empfehlungen der Fachgesellschaften halten müssen.“ Folglich ist es wichtig, Gebärende über mögliche Risiken einer Lotusgeburt aufzuklären, dies gilt besonders für die erhöhte Infektionsgefahr.

Späte Abnabelung als Alternative?

Es stehen sich nun wissenschaftliche Erkenntnisse und holistische Ansätze gegenüber. Obwohl durch die Lotusgeburt kein längerer Austausch von Blut und Nährstoffen erfolgt, gibt es einen Kompromiss, der beide Parteien abholt: das späte Abnabeln.

In den ersten Minuten nach der Geburt erfolgt weiterhin ein Austausch von Blut, welcher am Puls der Nabelschnur tastbar ist. Dies birgt so viele Vorteile für das (selbstständig atmende) Neugeborene, dass die Weltgesundheitsorganisation eine Abnabelung erst nach einer Minute empfiehlt. Dadurch kommt es zu weniger Anämien aufgrund einer höheren Hämoglobinkonzentration.2 Frühgeborene benötigen weniger Transfusionen und leiden seltener an nekrotisierender Enterokolitis.3

Ein Nachteil: Neugeborene, die spät abgenabelt werden, entwickeln häufiger eine Gelbsucht (Hyperbilirubinämie), die mit Fototherapie behandelt werden muss, als bei schneller Abnabelung.4

Die Abnabelung kann in drei Zeitzonen unterteilt werden:3

  • Die sofortige Abnabelung erfolgt direkt nach der Geburt des Kindes.
  • Die verspätete Abnabelung erfolgt frühestens eine Minute nach der Geburt.
  • Die physiologische Abnabelung erfolgt nach dem Erlöschen des Nabelschnurpulses.

Eine späte Abnabelung ist also eine sichere und unkomplizierte Alternative zur Lotusgeburt.

Sie möchten mehr zur Lotusgeburt erfahren? Die Lotusgeburt ist Zündstoff für regen Meinungsaustausch. Geben Sie Ihre Stimme ab und bestimmen Sie selbst, welche Themen beim Midwife Meetup – Hebammenkongress 2.0 besprochen werden. Hier können Sie Ihren Wunschzettel abgeben.

 

Die wichtigsten Antworten zur Lotusgeburt

F: Wie lange dauert es, bis sich die Plazenta vom Neugeborenen löst?

A: Nach etwa 5 bis 10 Tagen löst sich die Nabelschnur selbstständig vom Neugeborenem ab.

F: Ist die Lotusgeburt gefährlich?

A: Ja, die verwesende Plazenta birgt ein Infektionsrisiko und eine Verletzungsgefahr für das Neugeborene.

F: Gibt es eine Alternative zur Lotusgeburt?

A: Ja, Neugeborene können von einer späten Abnabelung profitieren. Diese erfolgt frühestens nach einer Minute bzw. nach dem Erlöschen des Nabelschnurpulses. Das Baby erhält dadurch mehr Hämoglobin und ist einem geringeren Infektionsrisiko ausgesetzt.3

 

Autorin: Dr. Lisa Raberger

Quellen

  1. Burns, E. More Than Clinical Waste? Placenta Rituals Among Australian Home-Birthing Women. J. Perinat. Educ. 23, 41–49 (2014).
  2. World Health Organization. Guideline: delayed umbilical cord clamping for improved maternal and infant health and nutrition outcomes. (World Health Organization, 2014).
  3. Zinsser, L. A. Lotus birth, a holistic approach on physiological cord clamping. Women Birth 31, e73–e76 (2018).
  4. McDonald, S. J., Middleton, P., Dowswell, T. & Morris, P. S. Effect of timing of umbilical cord clamping of term infants on maternal and neonatal outcomes. Evid.-Based Child Health Cochrane Rev. J. 9, 303–397 (2014).

 

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