Baby-Led Weaning – Das Wissen für Hebammen
Stillen, Breinahrung, Baby-Led Weaning (Dt.: Baby geleitete Entwöhnung)? Hebammen sind Ratgeber:innen für so vieles. Der neueste Trend: Babys, die selbstbestimmt entscheiden, was sie essen möchten. Alles zum Baby-Led Weaning, den Vor- und Nachteilen in diesem Beitrag.
In diesem Beitrag lesen Sie:
- Das ist Baby-Led Weaning
- Vorteile von Baby-Led Weaning
- Risiken von Baby-Led Weaning
- Baby-Led Weaning mal anders: BLISS
- Eine kleine Lebensmittelkunde
Das ist Baby-Led Weaning
Weaning (Dt.: Entwöhnung) beschreibt die Umstellung der Babyernährung von Muttermilch auf Lebensmittel. Der Übergang erfolgt fließend, denn neben dem Erkunden neuer Nahrungsmittel wird zusätzlich gestillt – je nach Bedarf des Kindes. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, bis zum sechsten Lebensmonat zu stillen und dies während der Weaning-Periode bis zu zwei Jahre fortzusetzen.1
Die Umstellung nach dem sechsten Monat ist bedeutend, denn die Muttermilch kann das Baby nicht mehr mit ausreichend Eisen versorgen.2 Der Weaning-Prozess sollte sicher, zeitgerecht, und adäquat für das Baby ablaufen.3 Beim Baby-Led Weaning (BLW) kann das Baby selbst entscheiden, was, wann und wie viel es isst. Der Löffel ist dabei tabu, denn gegessen wird mit den Händen. Das Baby wird so in die täglichen Familienmahlzeiten integriert. Die herkömmliche Entwöhnung im Vergleich erfolgt mit Breikost und wird von den Eltern bestimmt und koordiniert.
Baby-Led Weaning hat sich in den letzten 10 bis 15 Jahren etabliert und fand seinen Ursprung in Großbritannien und Neuseeland.4 Mittlerweile ist Baby-Led Weaning in zahlreichen Ländern beliebt. Dies führte auch zu Kritik an der BLW Methode – warum das so ist, haben wir in den folgenden Kapiteln zusammengefasst:
Vorteile von Baby-Led Weaning
Sättigungsgefühl & Freude am Essen
Freude an der Vielfalt der Nahrungsmittel – das erhofft man sich von BWL. Man wünscht sich ein Baby, dass alles probieren möchte und geschult darin ist, das Sättigungsgefühl selbst zu erkennen. Durch die einzelnen Bestandteile der Mahlzeiten lernt es, Geschmäcker und Texturen zu unterscheiden. Ein Brei gibt nicht die Möglichkeit, einzelne Zutaten zu erkennen. Studien zeigen, dass Babys mit BWL offener gegenüber Mahlzeiten sind, als Babys, die Breinahrung erhalten. Dies konnte bereits bei einer abgewandelten Form des BWL, dem BLISS gezeigt werden.5 Mehr Informationen zum BLISS folgen im Kapitel Baby-Led Weaning mal anders: BLISS.
Entspanntes Familienleben
Bei Baby-Led Weaning entscheiden die jüngsten Familienmitglieder selbst, was, wann und wie viel sie essen möchten. Das nimmt nicht nur den Babys an Stress, sondern auch den Eltern. Mahlzeiten vorzubereiten kann bei BWL weniger aufwendig sein und die Familienmahlzeit wird gemeinsam eingenommen. Eine Studie, in der 604 Mütter* befragt wurden, bestätigt, dass Mamas* mit BWL-Methode weniger Stress und Ängste haben.6 Es sollte jedoch bedacht werden, dass Eltern, die weniger Ängste haben vermehrt zu BWL tendieren. Sehr vorsichtige Eltern bevorzugen den traditionellen Weg mit Breinahrung.
Risiken von Baby-Led Weaning
Die Gefahr des Verschluckens
Nicht jedes Baby besitzt mit sechs Monaten bereits die motorischen Fähigkeiten, um Lebensmittel sicher essen zu können. Die Reife spielt also eine wichtige Rolle im Baby-Led Weaning. Rohe Äpfel, Weintrauben und harte oder bröselige Lebensmittel können schnell dazu führen, dass Portionen nicht richtig geschluckt werden. Die Wahrscheinlichkeit einer Erstickungsgefahr bei BWL festzustellen, erweist sich als äußerst schwierig, da Eltern den Unterschied zwischen Würgen und Verschlucken nur schwer erkennen können.2 Die Sicherheit der kleinen Essensanfänger sollte jedoch immer vorgehen. Wie potenziell gefährliche Lebensmittel vermieden werden können, lesen Sie im Kapitel Baby Led Weaning mal anders: BLISS.
Eisenmangel
Ab dem 6. Lebensmonat sind Babys darauf angewiesen, Eisen von anderen Quellen zu beziehen als von Muttermilch. Gedämpftes Gemüse wird besonders gerne als Babynahrung verwendet, hat jedoch nur einen geringen Eisenanteil.7 Eisen ist besonders wichtig, damit Hämoglobin gebildet und Sauerstoff im Blut transportiert werden kann. Welche Lebensmittel einen hohen Anteil an Eisen haben, gibt’s im Kapitel Eine kleine Lebensmittelkunde.
Energie & Wachstum
Traditionelle Breinahrung wird vollkommen frei von zugesetztem Zucker und Salz hergestellt. Nehmen Babys von Anfang an am Familienessen teil, erhalten sie mehr Salz und Zucker als bei herkömmlicher Entwöhnung. Dies hängt stark von den Essensgewohnheiten der Familie ab: Bevorzugt eine Familie vorrangig verarbeitete Lebensmittel, wird auch das Baby mehr davon erhalten. Dadurch könnten sie eine Gewohnheit für Salz und Zucker entwickeln und auch im weiteren Leben mehr davon konsumieren. Der Salzkonsum hat wiederum Einfluss auf den Blutdruck.8 Außerdem wird der Verdacht diskutiert, dass Babys mit BWL-Methode weniger kalorienreiche Mahlzeiten einnehmen als jene mit traditionellem Babybrei. Dies zeigt sich, indem BLW Babys tendenziell mehr Mahlzeiten mit Muttermilch einnehmen als mit Breifütterung.9
Baby Led Weaning mal anders: BLISS
Grundsätzlich ist die Definition von BLW nicht einheitlich und die Anwendung hängt stark von den Präferenzen einer Familie ab. Bisher gibt es jedoch auch eine offiziell modifizierte Art des Baby-Led Weanings: die Baby-led introduction to solids (BLISS). Entwickelt wurde die BLISS-Methode von Cameron et al. im Jahre 2015.10 Diese Methode berücksichtigt die Gefahr des Eisen-, Energiemangels und des Verschluckens. Das Prinzip der selbstständigen Babyernährung bleibt gleich – jedoch werden dem Baby immer drei Basiskomponenten in einer Mahlzeit angeboten:10
- Lebensmittel mit niedrigem Erstickungsrisiko
- Ein Lebensmittelanteil mit hohem Eisengehalt
- Ein Lebensmittel mit hohem Energiegehalt
Eine kleine Lebensmittelkunde
Die gezielte Auswahl an Lebensmitteln kann dafür sorgen, dass Babys ausgewogen ernährt werden. Die BLISS-Methode gibt Beispiele vor, wie alle drei wichtigen Komponenten in einer Mahlzeit enthalten sein können:
Mit einem hohem Erstickungsrisiko gehen harte, körnige und bröselige Lebensmittel einher. Rohes Gemüse, Würstchen, rohe Äpfel und Cracker erhöhen ebenso die Erstickungsgefahr.
Ein hoher Energiegehalt lässt sich in nahezu allen Nahrungsmitteln, außer rohem Obst und Gemüse, Reiswaffeln sowie klaren Suppen finden. Energiereiches Obst und Gemüse sind unter anderem Bananen, Avocado und Kartoffeln.
Um Babys mit ausreichend Eisen zu versorgen, sollten sie Fisch, Fleisch (Huhn, Rind, Schwein, Lamm), Hummus oder Leber angeboten bekommen.10
Tipp: Ein Lebensmittel gilt als hart, wenn es sich nicht gegen den harten Gaumen mit der Zunge zerdrücken lässt.10
Fazit: Baby-Led Weaning birgt sowohl Vorteile als auch Gefahren. All diese Vor- und Nachteile von Baby-Led Weaning werden nach wie vor diskutiert und erreichen bisher kaum einen allgemeinen Konsens. Studienergebnisse von BLW müssen immer mit Vorsicht betrachtet werden, da diese meist nicht randomisiert werden. Bedeutende Werte wie das Gewicht werden vorrangig von den Eltern angegeben und sind ungenauer als von Hebammen oder anderem Gesundheitspersonal. Viele Studien nehmen nur eine beobachtende Rolle ein, haben eine hohe Ausfallquote und tendieren zu niedriger Qualität.2 Zukünftige Studien werden mehr Aufschluss über Baby-Led Weaning und die Auswirkung auf das Kindesalter geben. Schlussendlich bietet die BLISS-Methode eine Alternative, mit der die Risiken des BLW reduziert werden können.
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Die wichtigsten Antworten zum Baby-Led Weaning
F: Ab wann wird Baby-Led Weaning gestartet?
A: Baby Led Weaning wird ab dem 6. Lebensmonat gestartet.
F: Welche Lebensmittel erhöhen die Erstickungsgefahr von Babys?
A: Mit einem hohem Erstickungsrisiko gehen harte, körnige und bröselige Lebensmittel einher. Rohes Gemüse, Würstchen, rohe Äpfel und Cracker erhöhen ebenso die Erstickungsgefahr.
F: Gibt die WHO eine Stellungnahme zu Baby-Led Weaning ab?
A: Nein, es gibt keine Empfehlungen der WHO zu Baby Led Weaning. Bis heute sind Studienergebnisse zu Baby Led Weaning nicht eindeutig bezüglich Vor- und Nachteile.
Autorin: Dr. Lisa Raberger
Quellen
- Breastfeeding. https://www.who.int/health-topics/breastfeeding, zuletzt aufgerufen am 16.11.2022
- D’Auria, E., Bergamini, M. & Staiano, A. Baby-led weaning: what a systematic review of the literature adds on. Ital J Pediatr. 44(1):49 (2018) – PubMed. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29724233/.
- Complementary feeding. https://www.who.int/health-topics/complementary-feeding, zuletzt aufgerufen am 16.11.2022
- Brown, A., Jones, S. W. & Rowan, H. Baby-Led Weaning: The Evidence to Date. Curr. Nutr. Rep. 6, 148–156 (2017).
- Taylor, R. W. et al. Effect of a Baby-Led Approach to Complementary Feeding on Infant Growth and Overweight: A Randomized Clinical Trial. JAMA Pediatr. 171, 838–846 (2017).
- Brown, A. Differences in eating behaviour, well-being and personality between mothers following baby-led vs. traditional weaning styles. Matern. Child. Nutr. 12, 826–837 (2016).
- Cameron, SL., Taylor, RW. & Heath, AL. Parent-led or baby-led? Associations between complementary feeding practices and health-related behaviours in a survey of New Zealand families. MJ Open. 3(12) (2013) – PubMed. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24327363/.
- Shi, L., Krupp, D. & Remer, T. Salt, fruit and vegetable consumption and blood pressure development: a longitudinal investigation in healthy children. Br. J. Nutr. 111, 662–671 (2014).
- Brown, A. & Lee, M. A descriptive study investigating the use and nature of baby-led weaning in a UK sample of mothers. Matern. Child. Nutr. 7, 34–47 (2011).
- Cameron, S. L., Taylor, R. W. & Heath, A.-L. M. Development and pilot testing of Baby-Led Introduction to SolidS–a version of Baby-Led Weaning modified to address concerns about iron deficiency, growth faltering and choking. BMC Pediatr. 15, 99 (2015).
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